Auf dem Umschlagbild die gezeichnete Silhouette einer Berglandschaft. Davor ein weißer, eigenartig ausgefranster Turm, der den Titel des Buches verdeckt. Erst bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass es sich um übereinander gestapelte Bücher handelt. Auch im Innern von Monika Helfers Erzählung „Der Bücherfreund“ gibt es in den assoziativen, an Comics erinnernden Illustrationen von Kate Menschik immer wieder weiße Flächen. Manchmal hat sie ein Buch, einen Kopf oder ein Blatt frei gelassen. Man kann an vieles dabei denken. Weiße Flecken auf einer Landkarte verheißen die Möglichkeit zu neuen Entdeckungen und Abenteuern. Oder sie stehen für die Freiheit, die Möglichkeit einer neuen Geschichte, die auf einem weißen Blatt Papier festhalten werden kann. Eine der Illustrationen zeigt ein Bücherregal mit einzelnen weißen Buchrücken, so, als seien dies die ungelesenen Bücher. Aber ein weißer Fleck auf der Landkarte, ein leeres Blatt, ein ungelesenes Buch kann auch beängstigend sein. Freiheit braucht Mut. Mut des Entdeckers, des Autors, aber auch des Lesers, sich auf’s Unbekannte einzulassen.
„Er liebte seine Bücher“, schreibt Monika Helfer, „mehr als die Menschen, denn die konnten ihm Böses antun. Die Bücher niemals und nie“. Der Vater, das ist der Vater aus den Familienromanen Helfers, die sie bekannt gemacht haben, aus „Die Bagage“ oder „Vati“. Im Krieg verletzt, verlor er einen Unterschenkel. In einem Invalidenheim in den österreichischen Bergen erholte er sich und lernte, mit einer Protese zu laufen. Dort lernte er die Mutter Helfers kennen und als er nach seiner Genesung zum Leiter des Heims gemacht wurde, hatte er viel Zeit zum lesen. Sein Glück wurde perfekt, als dem Invalidenheim fast dreitausend wertvolle Bücher vermacht wurden. Er stellte sie in selbst gebauten Regalen in einem eigenen Raum auf. Außer ihm, schreibt Helfer, saß selten jemand in dem Raum, der Bibliothek, und las, doch das machte nichts. Erst als die Mutter schwer krank wird, das Invalidenheim in ein Hotel umgewandelt und die Bücher verkauft werden sollen, endet das Glück des Vaters. In seiner Verzweiflung wendet er sich an Monika, seine jüngere Tochter – die ältere hat nicht ihren Sinn für Bücher –; und erzählt ihr von seinem Plan zur Rettung der Bücher.
„Der Bücherfreund“ ist ein kleines, schön gemachtes Buch über die Leidenschaft für Bücher. Die kongenialen Zeichnungen von Kate Menschik fügen dem Text eine eigene Dimension hinzu. Heute sind Bücher für immer mehr Menschen nicht mehr mit dem gesellschaftlichen Aufstieg, mit Bildung, Freiheit und Abenteuer verbunden. Vielleicht wirkt Monika Helfers wunderbar erzählte Geschichte auch deshalb so märchenhaft. Aber auch wegen der Nähe von Glück und Unglück und der Größe des Versprechens, das einmal mit Büchern verbunden war.